Jerzy Kubicki: "Diese Reise nannten wir Todesmarsch"
Der ehemalige polnische Häftling schreibt in den 50er Jahren seine Memoiren über die Haft im Konzentrationslager in eine Art "Tagebuch". Darin beschreibt er auch den Kochendorfer Todesmarsch nach Dachau.
[...] "Ein paar Tage nach dem Abtransport der Kranken wird uns auf dem Appellplatz gesagt, dass das Lager evakuiert wird, dass wir in Fünferreihen zu Fuß gehen werden, indem wir uns gegenseitig an den Armen festhalten sollten, dass jeder Fluchtversuch sofort mit dem Tod bestraft wird." [...] "Diese Reise nannten wir den Todesmarsch." [...] "Nach einer Weile führen SS-Männer ein paar Gefangene herbei, die Brot in Decken tragen; wahrscheinlich glauben sie, dass die Brotverteilung zu lange dauert und so werfen sie die ganzen Brotlaibe in die stehende Menge. Auf einen Schlag verwandeln sich die ordentlichen Reihen in einen Haufen grauer Sträflingskleidung, der sich im Schlamm wälzt und die Männer reißen sich gegenseitig die Brotstücke weg; es ist ein Kampf um Leben und Tod, und Brot bedeutet Leben. Die SS-Männer standen außen herum und lachten, während sie der tobenden Menge zusahen. Mir gelang es ein Brot zu fangen, aber schon fielen ein paar Häftlinge über mich her, werfen mich in den Dreck und reißen das Brot auseinander. Ich wehrte mich, aber sie waren stärker als ich und von dem Brotlaib blieb mir gerade so viel übrig, wie ich in der geballten Faust halten konnte. Ich stand auf, war nass und schmutzbefleckt und suchte meinen Holzschuh, den ich während des Kampfes verloren hatte. Keiner hatte mehr Brot erkämpft als ich und was man hatte, musste man schnell essen, weil es der eine dem anderen wegnahm. So haben sie uns für den Weg, der ein paar Tage dauern sollte, und (für viele) der letzte Weg des Lebens sein sollte, versorgt. Nach kurzer Zeit brachten die SS-Männer mit Peitschen und Gewehren Ordnung in das Durcheinander und wir standen bald wieder in Reihen und traten unseren Weg an. Nachdem wir das Lagertor durchschritten hatten, bogen wir nach links ab. An der Spitze fuhren einige SS-Männer des Lagerkommandos auf Fahrrädern, dahinter folgten Pferdewagen, die von Gefangenen gezogen wurden. Die Wagen waren mit dem Gepäck der SS-Männer beladen, es war die Militärausrüstung und all das, was unsere Schinder mit sich genommen hatten. Nach dem Wagen taumelte eine lange Schlange von grauen Häftlingsanzügen, die an den Seiten von SS-Posten begleitet war."