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"Diese Reise nannten wir Todesmarsch"

Emile Delaire: Mit viel Geschick überlebt

Der französische Häftling Emile Delaire wird als vermeintlicher Widerstandskämpfer im KZ Kochendorf inhaftiert. Schon im Lager findet er durch gute Einfälle immer Wege, sich das Leben ein klein wenig zu erleichtern.

Zwei Wochen bevor das KZ geräumt wird, verletzt sich Emile Delaire am Fuß und kommt ins Krankenrevier. Mit der Hilfe eines Arztes gelingt es ihm eine schlimmere Krankheit vorzutäuschen und seinen Aufenthalt im Revier somit zu verlängern. Das rettet ihm vermutlich das Leben. Denn so muss Emile Delaire den langen Gewaltmarsch in das KZ Dachau nicht zu Fuß antreten, sondern wird mit den anderen gehunfähigen Häftlingen im Zug transportiert. Aber auch die Fahrt wird für die schwachen Häftlinge eine fast unüberwindbare Tortur.
Die Kranken werden Ende März von einem Bauern zum Kochendorfer Bahnhof gefahren. Dort stehen offene Waggons und auch ein geschlossener Kühlwaggon für die Gefangenen bereit. Delaire wird mit ungefähr 80 anderen im dunklen und stickigen Kühlwaggon eingeschlossen. Die Häftlinge hämmern gegen die Wände, doch die SS-Männer öffnen nicht. Erst als Emile Delaire kleine Lüftungsluken entdeckt, die man öffnen kann, bekommen sie etwas frische Luft. Nach zwei bis drei Stunden fährt der Zug endlich los. An einem Bahnhof verteilen die SS-Soldaten Brot, aber die Häftlinge im Kühlwaggon bekommen nichts ab. Der Hunger nagt an den Kräften der kranken Männer. Emile Delaire hat eine Idee, wie er wenigstens den Durst etwas lindern kann. Er sammelt mit einer leeren Dose das Kondenswasser, das an den Wänden des Waggons herunter läuft und teilt den kleinen Schluck mit ein paar anderen Häftlingen. Nach drei Tagen kommt der Krankentransport im KZ Dachau an.

Jerzy Kubicki: "Diese Reise nannten wir Todesmarsch"

Der ehemalige polnische Häftling schreibt in den 50er Jahren seine Memoiren über die Haft im Konzentrationslager in eine Art "Tagebuch". Darin beschreibt er auch den Kochendorfer Todesmarsch nach Dachau.

[...] "Ein paar Tage nach dem Abtransport der Kranken wird uns auf dem Appellplatz gesagt, dass das Lager evakuiert wird, dass wir in Fünferreihen zu Fuß gehen werden, indem wir uns gegenseitig an den Armen festhalten sollten, dass jeder Fluchtversuch sofort mit dem Tod bestraft wird." [...] "Diese Reise nannten wir den Todesmarsch." [...] "Nach einer Weile führen SS-Männer ein paar Gefangene herbei, die Brot in Decken tragen; wahrscheinlich glauben sie, dass die Brotverteilung zu lange dauert und so werfen sie die ganzen Brotlaibe in die stehende Menge. Auf einen Schlag verwandeln sich die ordentlichen Reihen in einen Haufen grauer Sträflingskleidung, der sich im Schlamm wälzt und die Männer reißen sich gegenseitig die Brotstücke weg; es ist ein Kampf um Leben und Tod, und Brot bedeutet Leben. Die SS-Männer standen außen herum und lachten, während sie der tobenden Menge zusahen. Mir gelang es ein Brot zu fangen, aber schon fielen ein paar Häftlinge über mich her, werfen mich in den Dreck und reißen das Brot auseinander. Ich wehrte mich, aber sie waren stärker als ich und von dem Brotlaib blieb mir gerade so viel übrig, wie ich in der geballten Faust halten konnte. Ich stand auf, war nass und schmutzbefleckt und suchte meinen Holzschuh, den ich während des Kampfes verloren hatte. Keiner hatte mehr Brot erkämpft als ich und was man hatte, musste man schnell essen, weil es der eine dem anderen wegnahm. So haben sie uns für den Weg, der ein paar Tage dauern sollte, und (für viele) der letzte Weg des Lebens sein sollte, versorgt. Nach kurzer Zeit brachten die SS-Männer mit Peitschen und Gewehren Ordnung in das Durcheinander und wir standen bald wieder in Reihen und traten unseren Weg an. Nachdem wir das Lagertor durchschritten hatten, bogen wir nach links ab. An der Spitze fuhren einige SS-Männer des Lagerkommandos auf Fahrrädern, dahinter folgten Pferdewagen, die von Gefangenen gezogen wurden. Die Wagen waren mit dem Gepäck der SS-Männer beladen, es war die Militärausrüstung und all das, was unsere Schinder mit sich genommen hatten. Nach dem Wagen taumelte eine lange Schlange von grauen Häftlingsanzügen, die an den Seiten von SS-Posten begleitet war."

Mieczyslaw Wisniewski: "Nur wenige haben das KZ Dachau erreicht"

Der ehemalige Häftling aus Polen überlebt den Todesmarsch als junger Mann mit gerade mal 20 Jahren. Bei seinen späteren Besuchen in Kochendorf erzählt er von seiner Zeit im Kochendorfer Lager. Dabei kann er auch den Todesmarsch nach Dachau detailgenau schildern.

"Wir mussten vier Pferdewagen ziehen und schieben. Jeweils zwei zogen an der Deichsel, zwei schoben hinten am Wagen und zwei mussten an der Seite schieben. Auf einem Wagen wurden Waffen und Munition mitgeführt. Auf einem weiteren Wagen befanden sich Lebensmittel. Unbemerkt konnte ich etwas zu essen nehmen. Von der SS bekamen wir während der ersten vier bis fünf Tage des Marsches nichts zu essen. Ein Häftling nahm unterwegs, als die Kolonne an einem Bauernhaus vorbeimarschierte, ein Stück Brot von einer Frau entgegen. Ein Soldat tötete diesen Häftling daraufhin mit einem Kopfschuss. Völlig überraschend griffen uns einmal amerikanische Flugzeuge an. Soldaten und Häftlinge suchten vor dem Maschinengewehrfeuer Schutz. Der Munitionswagen wurde getroffen und explodierte. Ein Häftling sprang auf und winkte aus Freude den Piloten zu. Ein Soldat der Waffen-SS beobachtete dies aus seinem Versteck und erschoss den Häftling. Wir marschierten vorwiegend in der Nacht. Am Ende des Zuges lief ein Trupp Häftlinge mit Schaufeln. Sie mussten die zusammengebrochenen Häftlinge, nachdem sie von SS-Soldaten erschossen worden waren, verscharren Nur sehr wenige Häftlinge erreichten das KZ Dachau." Wisniewski erinnert sich auch an die anschließende Zugfahrt von Wasseralfingen nach Dachau: "Auf der Fahrt regnete es in Strömen und in den Waggons sammelte sich das Wasser. Einige Häftlinge saßen auf den Toten. Immer wieder wurden Tote unterwegs aus dem Zug geladen."
Als das Dachauer Lager von den Amerikanern befreit wird, wiegt Mieczyslaw Wisniewski nur noch 37 Kilogramm und ist schwer an Typhus erkrankt.

Georgij Wujstawkin: "Auf Schubkarren aufgestapelte Leichen"

Der ehemalige KZ-Häftling aus der Ukraine muss ab Dachau noch auf einen zweiten Todesmarsch nach Tirol. Unterwegs nimmt er all seinen Mut zusammen und flüchtet in einem unbeobachteten Augenblick.

Auf dem Todesmarsch nach Dachau läuft Georgij Wujstawkin ganz vorne in der ersten Reihe. "Dort hatten wir es besser, denn die ganz hinten wurden ständig geschlagen und mussten die Wagen der SS ziehen." An die Worte der Wachmänner erinnert er sich deutlich. "Schnell, schnell" hätten sie ständig gebrüllt. Wujstawkin sieht einige Kameraden aus Schwäche zusammenbrechen und hört immer wieder Schüsse am Ende der Häftlingskolonne. "Ich selbst war zwar sehr abgemagert, aber ich konnte noch gut marschieren", sagt er. Auch sein Freund Ivan, den er im KZ kennen gelernt hat, wird beim Todesmarsch von einem SS-Soldaten erschossen. Der Wachmann hatte entdeckt, dass er unter der Sträflingsuniform zivile Kleidung für die Flucht trug. Bei einem Fliegerangriff bei Löwenstein versteckt sich Wujstawkin mit den anderen Häftlingen und den SS-Männern im anliegenden Wald. Er sagt, es seien englische Jagdflieger gewesen und diese hätten angeblich nur auf die SS gezielt. "Sie haben sicher unsere blau-weiß gestreiften Anzüge erkannt", fügt er hinzu. Im KZ Dachau angekommen, sieht Wujstawkin wie Häftlinge, auf Schubkarren aufgestapelte Leichen, zum Krematorium schieben müssen. Er gehört zu den Häftlingen, die von Dachau aus auf einen zweiten Todesmarsch nach Tirol getrieben werden. Wujstawkin hat Angst und befürchtet, dass die SS-Soldaten alle Häftlinge am Ende des Marsches erschießen. In einem günstigen Augenblick kann er sich unbemerkt von der Truppe entfernen. Er erinnert sich noch genau an diesen Tag. "Das war am 20. April, an 'Führers Geburtstag'. Die SS-Soldaten waren so betrunken, dass sie nichts bemerkten als ich am Wegrand eine Böschung herunter sprang und mich versteckte", sagt er. Kurz darauf hat ihn die US-Armee aufgegriffen und gerettet.

Anmerkungen:

Dieser Text basiert größtenteils auf "Vernichtung durch Arbeit - Rüstung im Bergwerk. Die Geschichte des Konzentrationslagers Kochendorf - Außenkommando des KZ Natzweiler-Struthof" von Klaus Riexinger und Detlef Ernst. (Silberburgverlag, 2003)
Der Auszug aus den Tagebuch-Aufzeichnungen von Jerzy Kubicki ist aus "KZ in Heilbronn - Das 'SS-Arbeitslager Steinbock' in Neckargartach" von Heinz Risel entnommen. (Selbstverlag, 1987)

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